Die Seelower Höhen: Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt sie nur zu gut. Die Gedenkstätte war Pflichtprogramm für viele Schüler und Brigaden. Heute sind die Erhebungen in den Weiten des Oderbruchs wieder einen Besuch Wert – und zwar nicht nur, weil hier an eine der schwersten Kriegsschlacht auf deutschem Boden erinnert wird.
In den frühen Morgenstunden des 16. April 1945 gab der Befehlshaber der 1. Belorussischen Front, Marschall Georgi Shukov, in Kienitz am westlichen Oderufer das Startsignal für die so genannte Berlin-Offensive. Drei Tage lang lieferten sich rund 908.000 Rotarmisten und polnische Soldaten eine Schlacht mit etwa 200.000 Wehrmachts-Angehörigen und Volkssturmleuten. Mehr als 100.000 Tote soll es gegeben haben.
Ganz in der Nähe des Schlachtfeld trafen sich Berliner Feingeister
Ganz in der Nähe befand sich ein landwirtschaftliches Mustergut, das wie durch ein Wunder unzerstört blieb. Es war ein Innovations-Projekt des schillernden Berliners Hugo Simon. Preußischer Finanzminister und Kunstmäze, knallharter Bankier und sozialer Feingeist. 1919 kauft er das Ausflugslokal “Schweizerhaus” an den Seelower Höhen. Er betreibt u.a. eine Edelschweinzucht mit 50 Tieren. Gleichzeitig trifft sich hier unter mächtigen Kastanien ein Kreis aus Künstlern, Verlegern und jüdischen Freunden: Thomas und Heinrich Mann, Alfred Döblin, Rudolf Breitscheid, Otto Braun, Albert Einstein, Gerhard Hauptmann. Zeitweise das wichtigste geistige Zentrum außerhalb Berlins.
Der Seelower Heimatverein restauriert heute das unter Denkmalschutz stehende Areal mit Hilfe vieler Freiwilliger. Das Verwalterhaus ist bereits entrümpelt und das Dach neu gedeckt. Das komplizierte Bewässerungssystem ist freigelegt, Brunnen, Treppen, Gemäuerreste kartiert. Vor den Freiwilligen liegt aber noch viel Arbeit.
Edelschweine und Steinway-Flügel
Etliches von dem, was die Berliner Gäste damals auf den 320 Hektar bestaunten, ist bereits wieder zu sehen oder zumindest zu erahnen: Geflügelfarm, Kanichenzucht, Obst- und Gemüsebau, Weinberge, Parkanlagen, Volieren, ein Bienenhaus und ein Steinway-Flügel. Simon stellte vorwiegend arbeitslose Gärtner und Bauern aus der Region ein und entwickelte einen der modernsten Landwirtschaftsbetriebe Europas und wird mehrfach ausgezeichnet. Viele Besucher kommen aber einfach nur, um die Ruhe zu genießen. Denn die Produktionsstätte sieht aus wie ein bewirtschaftete Parkanlage.
Klein-Sanscoussi von Seelow
Simon setzt den freischaffenden Künstler Alfred Kutta als Gartenbaudirektor ein, und der setzt Zeichen auf allen Gebieten: Er lässt über 10.000 Stämme Edelobst pflanzen, führt die damals innovative Spindelbuschform ein, baut auf dem Gelände Wohnungen für seine Arbeiter. Er fördert mit beheizbaren Treibkästen und ausgekölügelten Brunnensystemen nicht nur die Obst- und Gemüsezucht. Er legt auf dem hügeligen Areal neue Wege, Blumenbeete und Sichtachsen an. Es gedeihen sogar Weinreben, Pfirsische, Aprikosen und Feigenbäume in großen Holzkübeln. “Klein-Sanscoussi von Seelow”. Kuttas Park- und Teichanlagen besitzen hohes künstlerisches Niveau. Er liebte wiederkehrende Elemente und sanfte Übergänge.
Kurz nach der Machtergreifung der Nazis floh Hugo Simon mit seiner Frau über die Schweiz zunächst nach Paris. Er starb 1950 in Brasilien. In der DDR-Ära verfällt das Gut.
Wer die Gedenkstätte Seelower Höhen besucht, die 2012 modernisiert wird, sollte auch einen Abstecher zum Areal Schweizerhaus in Seelow machen, um nicht nur zu erfahren, zu welcher Zerstörung die Nazi-Ideologie geführt hat, sondern auch, um einen Eindruck davon zu gewinnen, welch kreatives P
