Spektakuläre Landschaften hat der hessische Nationalpark Kellerwald nicht zu bieten. Das Meer von Buchen, das sich über 51 Berge und Kuppen zieht, gibt seine Geheimnisse erst auf den zweiten Blick preis. Deshalb werde das 5700 Hektar große Schutzgebiet südlich des Edersees auch nie so viele Besucher anlocken wie der Bayerische Wald, der Brocken oder die Kreidefelsen von Rügen, sagt der Leiter des Nationalparks, Peter Gaffert. „Unsere Schätze finden sich eher im Verborgenen.“ Am 1. Januar feierte der Nationalpark Kellerwald sein vierjähriges Bestehen. Die Zahl der Wanderer und Radler ist auf mehr als 250 000 pro Jahr angewachsen. Die Übernachtungszahlen am Edersee und in den umliegenden Orten steigen. Der Kellerwald soll als Weltna- turerbe bei der UNESCO angemeldet werden. Große Impulse erhofft sich Gaffert vom neuen Nationalparkzentrum in Herzhausen. Eine außergewöhnliche Ausstellung, die vor allem die Sinne anspricht, soll die Besucher in die Welt von Quellen, Urwäldern, Felsen und Schluchten entführen.
Der jüngste Nationalpark Deutschlands schützt einen der letzten großen Rotbuchenwälder Mitteleuropas auf bodensaurem Standort. Einmalig ist das Waldgebiet, weil es von keiner Straße und keiner Siedlung durchschnitten wird. Stattdessen plätschern mehr als 400 Bäche durch diese Ausläufer des rheinischen Schiefergebirges. Von der Zivilisation verschont wurden die Wälder, weil sich an den steilen Hängen des Edertals eine Bewirtschaftung nicht lohnte und weil der Waldecker Fürst sie zu seinem Jagdrevier machte. In dem durch ein Gatter gesicherten Wildschutzgebiet gab es kaum Holzeinschlag. Deshalb sind etwa 40 Prozent der Buchen älter als 160 Jahre.
Es gibt sogar einige Urwaldreste. Gebiete, in denen der Mensch schon seit der letzten Eiszeit keine Bäume eingeschlagen hat. Dazu gehört etwa das Areal am Hagenstein. Ob die Buchen 300 oder 500 Jahre alt sind, vermag selbst Ranger Markus Daume nicht zu sagen. Die jahrhundertealten Bäume sind nämlich kaum mehr als acht bis zehn Meter groß. Die Hänge sind so steil, die felsigen Böden so karg, dass sich die Bäume nur mühsam in die Erde krallen. Bizarre Formen bringt dies hervor. Gaffert spricht deshalb vom „Land der urigen Buchen“. Dort gibt es sogenannte Urwaldzeiger wie den Veilchenblauen Wurzelhalsschnellkäfer, der jahrhundertealtes Totholz braucht. Ähnlich selten ist die Dunkers Quellschnecke, die sich nur in extrem reinem Wasser findet.
Seit der Kellerwald Nationalpark ist, wird der Wald überhaupt nicht mehr „aufgeräumt“. Sturm „Kyrill“ beeindruckte die 44 Mitarbeiter des Nationalparkamts denn auch wenig. Es wurden fast nur die sowieso standortfremden Fichten umgeworfen, die an Ort und Stelle liegen blieben. Die meisten Besucher können das nur schwer verstehen, erzählt Ranger Markus Daume. Doch die abgestürzten Bäume sind nicht nur ein Paradies für Käfer, Moose und Pilze. Auch die nach 60 Jahren erstmals im Kellerwald wieder nachgewiesene scheue Wildkatze findet beste Bedingungen, um ihre Jungen groß zu ziehen. Vor allem Wanderer und Radfahrer queren den ungewöhnlichen Wald mit seinen elf Zugängen. Es gibt eine Mountainbike-Tour und zahlreiche Wanderwege – etwa den Urwaldsteig, der ins wildromantische Banfetal führt. Von dort sieht der Edersee wie ein norwegischer Fjord aus. Und an den schroffen Felshängen können Besucher das größte Vorkommen von Pfingstnelken nördlich der Alpen entdecken.
Nur mit viel Glück lässt sich der Schwarzstorch sehen. Er bevorzugt die stillen Täler. Mit 700 Führungen und Vorträgen pro Jahr locken die 21 Ranger Naturfreunde und Touristen aus ganz Deutschland. In der Region ist vor allem das Waldschulprogramm erfolgreich, das Kinder und Jugendliche für den Nationalpark begeistert. Das Schutzgebiet war im Kreis Waldeck-Frankenberg nämlich einst heftig umstritten. Noch 1997 sprachen sich die Anwohner in einem Bürgerentscheid gegen den Nationalpark aus. Irrationale Ängste prägten die Diskussion. „Die Menschen sind auch heute noch skeptisch“, sagt Gaffert: „Aber die Akzeptanz ist deutlich gestiegen.“ Schließlich bringt der Nationalpark mit seinem Jahresetat von 3,5 Millionen Euro Wirtschaftskraft in die strukturschwache Region.
Das Nationalparkamt stellte sich sogar hinter das Projekt zum Bau der Quernst-Kapelle mitten im Schutzgebiet. „Das ist ein wichtiger Ort für die Bevölkerung“, sagt Gaffert. Mit weitem Blick bis ins Upland stand dort schon im Mittelalter eine Kirche. Vor einem Jahr wurde sie in Form eines beschützenden Hirten mit Grauwacke und Schiefer aus der Region wieder aufgebaut. Als Ort der Stille und des Innehaltens für den Wanderer ist sie nun Tag und Nacht geöffnet.
Die wilden Buchenwälder
Der Nationalpark schützt eine der letzten großen zusammenhängenden Buchenwaldlandschaften in Mitteleuropa. Hier kann die Natur ungestört gedeihen – mit mächtigen Baumriesen, die zum Teil über 200 Jahre alt sind, und einer unglaublichen Artenvielfalt. Besonders im Herbst verwandelt sich der Wald in ein farbenfrohes Blättermeer.
Der Edersee
Der Edersee, einer der größten Stauseen Deutschlands, grenzt direkt an den Nationalpark. Er ist ein Paradies für Wassersportler, Angler und Badefreunde. Bei Niedrigwasser werden die berühmten Edersee-Atlantis sichtbar – Überreste alter Dörfer, die beim Bau der Staumauer überflutet wurden.
Kellerwaldsteig und Urwaldsteig Edersee
Für Wanderer bietet der Nationalpark zahlreiche gut ausgeschilderte Wege. Der Kellerwaldsteig und der Urwaldsteig Edersee führen durch wilde Natur, vorbei an Felsen, Bächen und spektakulären Aussichtspunkten wie dem Hagenstein, dem „Loreley-Felsen des Edertals“.
WildtierPark Edersee
Im WildtierPark Edersee können Besucher heimische Wildtiere wie Luchse, Wildkatzen und Wölfe hautnah erleben. Eine Greifvogelvorführung ist ein besonderes Highlight für die ganze Familie.
NationalparkZentrum Kellerwald
Das interaktive NationalparkZentrum Kellerwald bietet spannende Einblicke in die Wildnis des Nationalparks. Mit einem 4D-Kino, einer interaktiven Ausstellung und regelmäßig stattfindenden Führungen wird der Besuch zum Erlebnis.
Empfehlung
Mit seinen interaktiven Angeboten, familienfreundlichen Wanderwegen und dem Wildtier-Park ist der Nationalpark Kellerwald-Edersee ein perfektes Ziel für Eltern mit Kindern.
Beste Reisezeit
- Frühling (April bis Juni): Für frisches Grün und sprudelnde Bäche.
- Herbst (September bis Oktober): Für die bunte Laubfärbung und milde Temperaturen.
Tipp für Besucher
- Sternenpark: Der Nationalpark ist ein offizieller Sternenpark. Nachts erwartet Sie hier ein spektakulärer Sternenhimmel, fernab von Lichtverschmutzung.
- Kanufahrten auf dem Edersee: Eine fantastische Möglichkeit, die Landschaft aus einer anderen Perspektive zu erleben.
Nationalpark Kellerwald erleben
Ob Sie auf dem Urwaldsteig wandern, heimische Wildtiere beobachten oder einfach die Ruhe der unberührten Natur genießen möchten – der Nationalpark Kellerwald-Edersee bietet für jeden etwas. Ein Ort, an dem die Seele zur Ruhe kommt und die Natur im Mittelpunkt steht.
